Auf Tournee mit Fotos und Geschichten

Die Feuertaufe habe ich bestanden. Nach der Première des «Diaabends», notabene in Kriens Downtown, fand das Publikum lobende Worte. Das bedeutet: Die nächsten Monate kann man mich buchen. Zur Klärung: Eine Multimediashow wie bei den Profis von Explora & Co. gibt es nicht. Ich bin nicht Fotograf, sondern Geschichtenerzähler, und es macht mir Freude, andere an meinen Abenteuern teilhaben zu lassen.

Das Angebot richtet sich an Quartiervereine, Serviceclubs, Grossfamilien und dergleichen mehr. Öffentliche Vorführungen sind nicht vorgesehen, weil mir dafür der Aufwand zu gross ist. Der «Diaabend» (ich beharre auf diesen Titel!») dauert zwischen 30 und 45 Minuten – länger geht immer.

Vor Ort braucht es einen tüchtigen Beamer oder Flatscreen, Internet und Tee mit Honig. Ich reise mit dem MacBook und einem HDMI-Kabel an. Ein Honorar will ich keines. Wer stattdessen der Bewegung Courage Civil eine Spende entrichtet, macht etwas fürs eigene Karma und unterstützt einen Verein, der Gutes tut. (In diesem Jahr liegt dessen Fokus beim Klimaschutzgesetz, über das wir im Juni abstimmen werden.)

Interessiert?

Eine DM, ein Telefonanruf oder eine E-Mail reichen zum Start:
mark.balsiger@border-crossing.ch

 👉 Zur Fotogalerie auf meinem privaten Blog, die erkennen lässt, was auf die Gäste zukommt.

From Berne to Iran by bike – 50 pictures

Ever since I turned 20 I have got a «bucket list». It keeps me focused on what I really want to do in my life. While cycling to North Cape in summer 2016 the idea of a bike trip to Iran developed and eventually became a plan. I told myself: «One day I will go for it!» This «one day» came at the end of May 2022 as I hopped on «Yellow Jeff» and headed off.

A few days ago I returned to Switzerland.

Behind me:
– 12 countries
– 5200 kilometres
– 62’000 metres in elevation gain

These are just figures. What counts are the experiences, the joys and pains while heading east.

Fews things are as rewarding as bikepacking, #ToTehran2022 is my very own roadmovie. (I missed out on Tehran due to a heatwave and moved on from Tabriz to Türkiye instead.)
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 👉 👉 👉 Click on the first picture and it increases its size. As of then you should move the cursor to the little black button «>» which appears on the right hand side of every picture. Click through and you’ll know why I love bikepacking.

 👉 👉 👉 For the German speakers among you: I published a number of little stories about my trip. For example here. You find all of them in the sidebar on the right hand side. 

Schöner Iran, schwieriger Iran

Zehn Minuten nachdem ich die armenisch-iranische Grenze passiert habe, bin ich schon Multimillionär. Eine Million Rial entspricht etwa drei Schweizer Franken. Ich kriege mehrere dicke Bündel in die Hand gedrückt, und die vielen Banknoten fühlen sich unangenehm an. Ich verteile sie auf alle Gepäckstücke und radle los.

Wenige Minuten später meldet sich der Darm, doch ich habe Glück: Wie durch eine kleine Fügung taucht eine öffentliche Toilette auf. Sie ist sauber, ich übe mich in der Kauertechnik und muss grinsen: «Kaum bin ich im Land der Mullahs angekommen, muss ich schon pfunden!»

Wie ich mir vor dem Häuschen die Hände mit Seife wasche, werde ich von einem Mann in meinem Alter angesprochen. Sein Englisch ist fliessend, er ist neugierig und lädt mich nach Täbris ein, wo er wohnt. «Ich nehme den Weg über die Berge und brauche wohl drei Tage bis dorthin», erkläre ich ihm. Hossein nickt, tippt seine Handynummer in mein Sklavengrätli und fährt mit seinen Angehörigen davon. Schon steht ein Trio vor mir – drei Frauen –, und lädt mich zu sich nach Hause ein. Wieder nach Täbris.

Der chaotisch organisierte Grenzübergang, die schmierigen Geldhändler, der Einkauf von Brot und Tomaten, die Einladungen – ich bin verwirrt und überfordert. Also nichts wie weg in die Berge.

Ich schwinge mich auf «Yellow Jeff», alsbald ist Nordooz, dieser charmefreie Ort an der Grenze, hinter den Hügeln verschwunden. Ich steige ab, tausche die langen Hosen gegen Shorts aus und kurble weiter. Die Landschaft ist karg, die Sonne brennt, das einzige Geräusch, das ich die nächsten Stunden höre, ist mein Schnaufen.

In der Abenddämmerung tauchen die Felder und Berge in verschiedene Farben. Ich setze mich an den Strassenrand und schaue dem Naturspektakel hingerissen zu.

Auf dem Hof einer Bauernfamilie darf ich campieren. Der Vater zeigt mir die Wasserquelle und die Toilette, dann stelle ich das Zelt auf, währenddessen die Kinder im Gras sitzen und mir aufmerksam zuschauen. Als ich am Essen bin, kommt der Vater vorbei und bringt mir frisches Gemüse.

Ich liege im Schlafsack – es ist inzwischen Nacht geworden –, und will den Tag Revue passieren lassen. Da huscht plötzlich ein Lichtkegel durchs Dunkel. Der älteste Junge steht mit Taschenlampe und Handy als Übersetzungshilfe vor meinem Zelt. Er will sich mit mir unterhalten, ich möchte schlafen. Wir finden einen Kompromiss.

Achtzehn Stunden später rolle ich im Schritttempo durch Arzil, ein anderes Dorf in den Bergen. Es liegt da wie ausgestorben, die wenigen Geschäfte sind verriegelt, ich finde keinen einladenden Platz zum Zelten. «Eine Null-Nummer», brumme ich und fahre enttäuscht weiter.

Etwas ausserhalb sitzen ein paar Männer im Schatten der Bäume und trinken Tee. Sie winken mich herbei. Ich setze mich zu ihnen auf die Decke, kriege Früchte und später ein leckeres Znacht. Meine Gastgeber sind sehr aufmerksam: Nachdem ich den Zucker im Tee mit dem Griff der Gabel gerührt habe, stecken sie mir beim Nachschenken diskret einen Löffel zu. Sie selber brauchen keinen, weil sie eine andere Technik anwenden: Den Würfel klemmen sie zwischen die Zähne und setzen dann das Teeglas an. So rinnt das Getränk bei jedem Schluck leicht gesüsst die Kehle herunter.

Mithilfe einer App reden und diskutieren wir stundenlang. Sie stürzt immer mal wieder ab oder übersetzt offensichtlich falsch, was uns zuweilen zum Lachen bringt. Die Atmosphäre ist entspannt, mir ist es wohl in dieser grünen Oase, die harten Stunden bergauf sind vergessen. Die Infrastruktur ist schlicht, aber funktional, hinter den Bäumen rauscht ein Bach talwärts. Junis und seine Frau verbringen jeweils den Sommer hier, weil das Klima viel angenehmer ist als in der Grossstadt. Hier bewirten sie Mitglieder ihrer weitverzweigten Sippe und Gäste wie mich.

«You are ivited» – immer wieder 

Wenn ich über die Strassen brettere, halten gelegentlich Autos, und ich kriege Früchte, Gebäck oder Getränke geschenkt. Die Übergaben geschehen ratzfatz, zuweilen gibt es noch schnell ein Foto – «Instagram? Instagram!» –, nach zwei Minuten ist der Spuck vorbei. In Restaurants passiert mir dasselbe – «you are invited!», zuweilen auch in den kleinen Geschäften, wenn ich ein Getränk kaufen will. Dazu kommen die Einladungen zum Essen und Übernachten.

Die Menschen in der nordwestlichen Ecke des Irans sind ausgesprochen aufmerksam und gastfreundlich, egal ob sie Türken, Kurdinnen, Perser oder Aserbaidschanerinnen sind. Gastfreundschaft ist etwas Schönes, in der Schweiz sollten wir uns eine Scheibe davon abschneiden.

Trotz spektakulärer Natur und der grossen Empathie der Menschen war ich meistens bedrückt, weil die Leute bedrückt sind. Eine schwere Decke liegt auf ihnen, sie leiden. Der Vielvölkerstaat ist ein Land in Moll. Wenn immer wir ins Gespräch kamen, stellten sie eine Frage mit Sicherheit: «Wie denkt ihr über uns?» Die Eindringlichkeit, wie diese Frage adressiert wurde, erlebte ich bislang nur im Kolumbien der Neunzigerjahre, das damals im Würgegriff von Guerilla und Paramilitärs war.

Natürlich redeten wir in überschaubaren Runden über Politik. Die Leute haben sich arrangiert mit Überwachung, Einschränkungen und dem «Filter», wie sie es nennen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist nach der islamischen Revolution von 1979 zur Welt gekommen, sie kennt nur dieses System. Die reiferen Semester mussten schon das repressive Regime des Schahs erdulden, es war keinen Deut besser. Viele Menschen hadern mit ihrer Situation, so meine subjektive Einschätzung.

Nehmen wir das Beispiel von Yusuf, wie er hier heissen soll. Er ist 31 Jahre alt, Kurde und promovierter Agrarwissenschaftler. Jetzt verkauft er im Dorfladen seiner Eltern Zwiebeln, Waschmittel und Schleckzeugs. Er ist frustriert, möchte etwas erreichen in seinem Leben und denkt an Flucht. Hundertausende haben sie schon hinter sich, der Braindrain ist enorm. Ein Freund sei im Mittelmeer ertrunken, erzählt Yusuf. Für einen Moment wird sein Blick leer.

Ich empfehle ihm, intensiv Englisch zu lernen und sich dann im Netz nach einem Job aus seinem Bereich zu bemühen, am besten in den Niederlanden. Dort hat die Landwirtschaft einen höheren Stellenwert als in anderen Ländern Europas, zugleich sind sie innovativ und offener.

Wieder auf dem Fahrrad wird mir bewusst, wie hilflos mein Ratschlag war. Das Leben ist verdammt beschissen, wenn man auf seiner Schattenseite geboren wurde.

Die Bakschisch-«Nummer» musste ja einmal kommen

Kein Lüftchen weht, kein Hund liegt faul im Schatten, nichts bewegt sich. Stille. Im Schritttempo rolle ich auf den Schlagbaum zu, steige ab und stosse «Yellow Jeff» bis zum grauen Häuschen. Die Scheibe ist verspiegelt, ich sehe nichts, also warte ich und beginne, mich auf eine längere Pause einzustellen.

Da plötzlich blafft eine Männerstimme aus dem Häuschen: «What’s this?» Ich erschrecke. Eine Hand wird sichtbar. Sie zeigt auf den Holzstecken, den ich über der gelben Gepäcktasche angeschnallt habe.

«I defend myself with this wooden stick against aggressive dogs», antworte ich, immer noch etwas verdattert. Tatsächlich habe ich zu Beginn meiner Velotour das Hervorziehen des Steckens geübt. Wenn mich Hunde attackieren, muss es schnell gehen. In der Regel reicht eine drohende Geste.

Der Grenzbeamte scheint zufrieden zu sein mit meiner Antwort. Dann stösst er nach: «Do you have a licence to ride your bicycle?» Ich vermute, dass er die Velonummer meint und schüttle den Kopf. «Not anymore. The politicians in Switzerland abolished this system.»

Jetzt wird seine Stimme wieder laut und schneidend: «In Bulgaria you need to have a licence for your bicycle!»

«Irgendeinmal musste die Bakschisch-Nummer ja kommen», denke ich verdrossen und presse die Lippen zusammen. Ich habe mir keine Gedanken gemacht, wieviel ich zu bezahlen bereit wäre, um die Grenze passieren zu dürfen.

Der Grenzer hat mich in der Hand: Wenn er will, bleibe ich auf der nordmazedonischen Seite, bis seine Schicht vorbei ist. Oder ich schmiere ihn und seinen Kollegen, der trotz des Ventilators schwitzt.

«The licence is 100 Swiss Francs!» Der Zöllner hat inzwischen das Fenster geöffnet.

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Da zwinkert er mit den Augen.

Ich zwinkere zurück: «Cash or creditcard?»

Wir müssen beide lachen.

Ein Wort gibt das andere, und wir verstehen uns prächtig. Er hat nichts Besseres zu tun, als mit mir zu plaudern, ich muss bloss nach Petritsch, der ersten Stadt in Bulgarien, radeln. Der Beamte erzählt, dass seine 23-jährige Tochter eben in die Schweiz gereist sei, um dort während der Sommersaison in einem Restaurant zu arbeiten.

Dann zieht er ein Blatt Papier hervor und beginnt, ein Krokki zu zeichnen: den Weg nach Rupite, etwa 15 Kilometer von Petrisch entfernt. Dort habe es heisse Quellen, ich müsse sie unbedingt ausprobieren, das Wasser sei heilend, erklärt er. Er kritzelt weitere Details aufs Papier und wiederholt: ich müsse dorthin!

«Why do you want me to go there so badly?», frage ich. Dann schnuppere ich übertrieben hörbar an meinem verschwitzten Leibchen. «Do I smell that strong?»

Er nickt.

Wieder müssen wir beide lachen. Ich packe das Krokki in die Lenkertasche, «fäustle» mit dem Grenzer und trete in die Pedale.

PS:
Abends bin ich tatsächlich nach Rupite gefahren und habe mich 20 Minuten ins warm-heilende Wasser gelegt und dazu ein kaltes Bier getrunken. Das Bad tat gut, bloss: Nach der morgigen Etappe werde ich wieder stinken.

Carlito und Carmela in der Kartonkiste

Auf der Passhöhe mache ich Rast. In den Bergen Bulgariens gibt es eine Vielzahl von Hütten aus Holz, die mit robusten Tischen, Bänken und einer Feuerstelle ausgerüstet sind. Die meisten sind sauber und fliessendes Wasser haben sie auch. Hier können Touristinnen und Lastwagenfahrer picknicken oder eine Siesta machen.

Es ist kühl geworden im Wald, und zum ersten Mal auf dieser Tour musste ich die Ärmlinge anziehen. Nachdem ich «Yellow Jeff» parkiert habe, schlüpfe ich in eine Trainerjacke und lege mein Mittagessen auf einer Serviette aus. Es gibt dunkles Brot, Wurst, eine Banane, Aprikosen und Pflaumen.

Ich habe Hunger und lange zu, während die mächtigen Baumkronen sich leise im Wind wiegen. Plötzlich höre ich ein leises Rascheln aus der Ecke. Dort steht eine Kartonkiste mit der Aufschrift «Chio». Sie war vermutlich improvisiert für Abfall gedacht gewesen, bloss liegt dieser frei verstreut um die Kiste herum.

Da raschelt es wieder aus der Kiste, und ich höre ein Geräusch, das ich nicht zuordnen kann. Ein kleines spitzes Ohr mit schwarzen Haaren kommt zum Vorschein.

So beginnen Horrorfilme.

Ich zwicke mich kräftig in den Arm. «Autsch!» Das haarige Ohr ist immer noch dort.

Langsam stehe ich auf und nähere mich vorsichtig der Kiste. Da schnellt ein Katzenkopf aus der Kiste und das Tier faucht bedrohlich. Ich erschrecke und weiche zurück. Die Katze hat einen schwarzen Kopf und eine weisse Schnauze. Sie lässt keine Zweifel aufkommen, wo die Grenze für Fremde ist. Ich bleibe stehen, bewege mich nicht und atme flach.

Da taucht ein zweiter Katzenkopf auf, dann ein dritter. Die Neugierde der beiden Kätzchen war grösser, sie wollen auch sehen, was ihre Mutter enerviert. Nach ein paar Sekunden verlieren sie das Interesse und verknäulen sich wieder ineinander.

Ich setze mich und esse weiter. Die Katzenmutter beginnt, mit ihren Jungen zu spielen. Dazwischen leckt sie sie mit ihrer rauen Zunge fürsorglich ab. Irgendeinmal hat sie genug von den Kleinen, die nicht müde werden, sich zu balgen, und richtet sich auf. Mit einem eleganten Satz lässt sie die Kartonkiste hinter sich. Dann dehnt und streckt sie sich ausgiebig. Grazil und ohne Scheu läuft sie an mir vorbei, ohne mich weiter zu beachten und erkundet die nähere Umgebung. Ganz offensichtlich geht sie davon aus, dass ich keine Gefahr mehr für ihre Jungen darstelle.

Kaum ist die Katzenmutter verschwunden, setze ich mich neben die Kartonkiste und kraule die Kleinen. Beide sind gut genährt und unendlich knuffig. Ich taufe sie Carlito und Carmela.

Carlito ist schwarz, nur Schnauze und Halspartie sind weiss. Er versucht immer wieder, auf die Hinterbeine zu stehen, verliert aber das Gleichgewicht und purzelt auf die Seite. Carmela hat ein weisses Fell mit einigen schwarzen Flecken. Sie findet es lustiger, auf ihren Bruder zu klettern und ihm in den Rücken zu beissen. Meine Hände, die abwechselnd mit den Kätzchen spielen und sie dann wieder streicheln, finden sie als Abwechslung ganz okay.

Was hier vor ein paar Stunden oder Tagen passiert ist, liegt auf der Hand: In beide Richtungen der Passstrasse gibt es auf 25 Kilometer keine Häuser, so weit weg entfernt sich keine Katzenmutter zum Werfen. Das Trio wurde ausgesetzt.

Es wiederholt sich vorab zu Beginn der Sommerferien: Haustiere werden den Menschen überdrüssig und schliesslich auf Autobahnraststätten oder im Wald kaltherzig ausgesetzt. Laut dem Schweizer Tierschutz werden jedes Jahr etwa 20’000 wieder aufgegriffen und in Tierheime oder Aufnahmestationen gebracht. Wie viele Tiere vorher umkommen oder verwildern, ist nicht bekannt.

PS:
– Natürlich dachte ich darüber nach, die Katzenfamilie bis ins nächste Dorf, zu einer Bauernfamilie, zu bringen. In einer Sacoche hätte ich genug Platz schaffen können. Die Kleinen hätte ich problemlos einpacken können, die Mutter hingegen hätte sich vermutlich heftig gewehrt.

– Die Raststätte, die ich hier zeige, ist nicht identisch mit derjenigen des «Tatorts», zwischen den beiden liegen etwa zehn Kilometer.

– Auf Instagram folgte ich während Jahren einem Bikepacker aus Belgien auf seiner Weltreise. Unterwegs war ein Kaninchen so zutraulich geworden, dass er es schliesslich mitnahm. Das Duo wurde unzertrennlich und das Kaninchen überall, wo der Radler stoppte, mit viel Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten eingedeckt.

Vergesst Netflix, das Dorfkino Moglicë ist besser

Velorennfahrerinnen und Gravelbiker hätten ihre helle Freude an dieser Stecke: Die Strasse ist in einem ausgezeichneten Zustand, das Gelände kupiert, die Steigungen sind knackig. Einmal sind es 50, dann 100 oder noch mehr Höhemeter, die man mit Schwung bewältigen kann. Die Verkehrsingenieure haben oft 10 bis 30 Meter tiefe Schluchten durch die Felsen bauen lassen. «Es fägt», würden richtige Berner sagen.

Für mich ist eine Mühsal: «Jellow Jeff» allein ist 24 Kilogramm schwer, dazu kommt das Gepäck und mein Eigengewicht. Meistens kurble ich im ersten Gang bergauf, komme nur langsam voran und muss keuchen. Der innere Schweinehund hockt auf meiner linken Schulter und flüstert: «Hey, weshalb quälst du dich?» Ich konzentriere mich auf die Berge Albaniens und den riesigen Stausee, der nicht enden will.

Das Wasserkraftwerk, das die norwegische Firma Statkraft vor zwei Jahren ganz in der Nähe fertigstellte, produziert pro Jahr 450 Gigawattstunden. Albaniens Premierminister Edi Rama streicht die Versorgung mit erneuerbaren Energien hervor, doch die vielen Projekte für Wasserkraftwerke im Westbalkan stossen auch auf massive Kritik

Doch zurück zu meiner Etappe: Das Thermometer zeigt 36 Grad, auf der App steht irgendwo diskret in gelber Schrift: «Gefühlt 41 Grad». «Ihr Wetterfrösche habt ja keine Ahnung!», knurre ich halblaut als ich wieder in einer Schlucht bergauf strample. Die Sonne brennt von oben, von unten und den Felswänden her reflektiert die Wärme. So muss sich das Güggeli im Backofen fühlen.

Am Rand eines Städtchens entdecke ich eine Beiz unter alten Bäumen, direkt neben einem rauschenden Bach, der Wind kühlt. Das Ambiente gefällt mir, und ich lasse mich auf einen Stuhl fallen. Es ist nach 14 Uhr. Ich bin der einzige Gast und die Gerantin, schüchtern wie sie anfänglich ist, lässt ihren etwa zehnjährigen Sohn für sie übersetzen. Dann verschwindet sie in der Küche und ich höre, wie ein Messer routiniert und in hohem Tempo auf das Schneidebrett trifft. Fünfzehn Minuten später habe ich einen griechischen Salat (erstklassig) und eine grosse Portion Spaghetti mit Tomatensause vor mir. Dazu eine grosse Flasche Wasser und ein Süssgetränk.

Ich bin satt und zufrieden, der Kampf im Backofen ist eine Randnotiz. Im Barbershop neben der Beiz gönne ich mir eine Nassrasur und kriege am Schluss einen kräftigen Spritzer Eau de Cologne auf Backen und Hals. Ich muss grinsen: Oben riecht es gut, von den Schultern abwärts kleben die verschwitzten Kleider an meinem Leib. Ich radle los und geniesse es, ab und zu eine Nase voll des Kölnisch Wassers einzuatmen. Zehn Minuten später hat es sich verflüchtigt.

Die Schatten sind länger geworden, ich kurble in gemächlichem Tempo durch die Landschaften und geniesse das Panorama. Kein Motorengeräusch zerreisst die Stille. Die Bauern werken auf den Feldern, die Schäfer winken, wenn ich an ihnen vorbeifahre. Unterwegs pflücke ich wilde Mirabellen und stopfe sie in meinen Mund, was jedes Mal wie ein Zuckerschub wirkt.

Die grösste Hitze ist gebrochen, als ich in einen Canyon einbiege. Rechts von mir gurgelt ein Bach talwärts, die Felsen sind zuweilen rot, es sieht aus wie im Wilden Westen.

Es ist Abend, als ich in Moglicë vom Velo steige. Auf dem Dorfplatz spielen die Kinder, und natürlich sind sie sofort neugierig, wer dieser Fremde mit dem riesigen gelben Göppel ist. Den vorwitzigsten Buben, vielleicht sechs Jahre alt, schwinge ich auf den Sattel, und er findet das nach ein paar Sekunden des unsicheren Balancierens ziemlich cool. Das Eis ist gebrochen, jetzt wollen die anderen auch.

Auf einem Mäuerchen sitzend, haben fünf Männer das unbeschwerte Treiben beobachtet. Ich winke ihnen zu, es den Kindern gleichzutun und eine Runde zu fahren. Sie schütteln den Kopf, also probiere ich es mit einem Schlüsselwort: «Birra?» Fünf Köpfe nicken. Im Tante-Emma-Laden nebenan kaufe ich sechs Dosen Bier. Beim Öffnen erklingt sechsmal ein metallenes Knacken, und wir prosten einander zu. Herrlich erfrischend – in der Bergluft und nach einem solchen Tag schmeckt es noch besser.

Ich setze mich vor die Männer auf den Boden. Sie schauen mich an, ich schaue sie an, und es ist nicht komisch. Es sind einfache Menschen, die in diesem Bergdorf leben. Sie halten Kühe, Schafe und Ziegen, und beim Hinfahren habe ich Kartoffeläcker gesehen. Wie ich nach einer Nacht im Zelt am nächsten Morgen feststellen werde, sind die Erwachsenen schon in der sechsten Stunde auf den Beinen. Sie nutzen die angenehmen Temperaturen, um zu arbeiten.

Ich beherrsche sechs Wörter Albanisch, meine neuen Kumpel können, wie sich herausstellt, «good» und «Where do you come from?» Das ist eine schmale Basis, aber wir finden einen Ausweg. Auf dem staubigen Boden zeichne ich den Weg, den ich mit dem Fahrrad hinter mir habe, auf, und nenne die Länder. Das interessiert sie. Pause – dann hat einer der Männer eine Idee: Wir sollen das Alter der anderen erraten.

Alle machen mit und schreiben jeweils verdeckt eine Zahl in den Staub, welches Alter wir der Person, die gerade im Zentrum steht, zuschreiben. So simpel dieses Spiel auch ist, wir machen eine theatralische Nummer daraus und amüsieren uns köstlich.

Urplötzlich wird es laut: Ein Esel trabt über den Dorfplatz. Er schleift ein sicher 20 Meter langes Seil hinter sich her. Ein Mann in Gummistiefeln rennt ihm schreiend nach, aber dieser hat offenbar keine Lust, eingefangen zu werden, vielmehr spielt er «Fangis» mit seinem Besitzer. Die Komik ist nicht zu übertreffen: Kinder, Männer und der Radfahrer aus der Schweiz müssen lachen. Leute, vergesst Netflix, das Dorfkino Moglicë ist besser!

 

PS:
Mein Wortschatz hat sich an jenem Abend um zwei Wörter vergrössert: Ich weiss jetzt, dass Gëzuar Prost heisst, und Gomar ist der Esel. Bei der nächstbesten Gelegenheit passiert es mir womöglich, dass ich die beiden Begriffe verkehrt herum anwende. Das gibt dann Stoff für ein neues Posting.

Den schönsten Strand liess ich links liegen

Im Frühling 1996 flog ich über die dalmatinische Küste und war hingerissen von der Landschaft und dem intensiven Blau des Wassers. Vorgelagert sind zahllose Inseln, die sich aneinanderreihen wie eine Perlenkette. Ich beschloss, einmal zurückzukehren. Dieser Tage habe ich das Inselhüpfen an der kroatischen Adria versucht. Ganz ohne Frust ging das nicht, «an Yellow Jeff» lag es nicht.  

Nach der Feinplanung waren Brač und Hrvar aussortiert, weil sie zu nahe bei Split und zu touristisch sind. Stattdessen nahm ich die Fähre nach Vis, einer Insel, die früher ein militärisches Schutzgebiet war und erst 1995 für Leute aus dem Ausland zugänglich gemacht worden war.

Die Atmosphäre auf Vis ist entspannt, die Menschen sind freundlich, die Strassen verkehrsarm. «Gut gewählt, Mark!», lobe ich mich selbst.

Mehrere Einheimische empfehlen mir, Stiniva zu besuchen. Das sei laut einer Erhebung der schönste Strand Europas, ergänzen sie nicht ganz ohne Stolz.

Am Sklavengrätli werfe ich Google an und tippe den Namen ein. Tatsächlich wurde Stiniva im Jahr 2016 zu «Europe’s most beautiful beach» gekürt. Mehr als 10’000 Leute hatten sich an der Befragung von Tripadviser beteiligt, über die Methodik bringe ich nichts in Erfahrung.

Von Rankings und Superlativen halte ich wenig, aber meine Neugierde ist geweckt. Am zweiten Tag sattle ich «Jellow Jeff» und radle los. Irgendeinmal kommt ein diskretes Schild, ich biege ab und fahre auf einem schmalen, zuweilen staubigen Strässchen weiter. Fünfzehn Minuten später bin auf einem Parkplatz angelangt. Nichts stört die Stille, nur drei Fahrzeuge dösen in der Hitze vor sich hin, aus der Ferne funkelt das Blau des Meers. «Das könnte etwas werden mit diesem Strand», denke ich vorfreudig und lehne mein Fahrrad an einen Baum.

Zu Fuss geht es weiter, der Marsch dauere etwa eine halbe Stunde, steht im Reiseführer. Ich muss mich konzentrieren, weil der Abstieg steil und anspruchsvoll ist. Nach ein paar Minuten erklingt durch das Dickicht der Sträucher plötzlich – Geschnatter. Es sind Wortfetzen auf Englisch. Kurze Zeit später entdecke ich auf dem schmalen Pfad den ersten Rücken eines Menschen, dann einen zweiten, einen dritten. Schliesslich mache ich 15 Teenager aus, die vor mir bergab stolpern. Sie tragen Flip-Flops und halten ihr Smartphone in der Hand. «Herr, lass Hirn regnen!», murmle ich in einem Anflug von Boshaftigkeit. Die jungen Amis schnattern und schnattern. «You’re filling the air!», war eine meiner Provokationen, als ich in den USA gelebt hatte.

Den hintersten Teil der Gruppe habe ich bald einmal überholt. Ich grüsse freundlich – kein Echo. Die anderen Teenager machen keine Anstalten, mich vorbeizulassen. Meine Laune verschlechtert sich. «Macht doch Urlaub am Santa Monica Beach!», denke ich und tadle mich für meinen Egoismus.

Auf einer Lichtung wird der Blick hinunter plötzlich frei, und ich bleibe wie angewurzelt stehen. In der Bucht liegen sicher zehn Boote und Jachten, zwei weitere brausen gerade in hohem Tempo herein.

Der Landweg ist etwas für Dummköpfe

Da fällt es mir wie Schuppen vor den Augen: «Natürlich, die Touristinnen und Touristen lassen sich so bequem zum Stiniva-Strand bringen, der beschwerliche Landweg ist was für Dummköpfe.»

Wenn sich auf jeder Jacht zehn oder fünfzehn Menschen befinden, sind das…. hach, rechnen bei 35 Grad!… ziemlich viele, die sich am Strand tummeln. Sie schnattern sicher alle, und es gibt es eine Happy-Hour-Bar, das übliche Angebot mit Schnocheln, Muscheln und Souvenirs… ach! Fast sämtliche Klichees, die ein Touristenstrand bietet, jagen durch meinen Kopf und ich tadle mich zum zweiten Mal. Dann mache ich rechtsumkehrt, beginne wieder bergwärts zu stapfen und lasse «Europe’s most beautiful beach» links liegen.

Einen Tag später bin ich auf einer anderen Insel unterwegs. Während der Mittagszeit, die Sonne brennt erbarmungslos auf meinen Nacken, entdecke ich einen Strand, der mich die Mühsal sofort vergessen lässt. Er ist verwunschen, naturbelassen und menschenleer. Stattdessen liegt eine herrliche Ruhe über der Bucht. Ich tauche ein und mache ein paar kräftige Züge im türkisblauen Wasser. «That’s my cup of tea!»

Wie dieser Strand heisst, weiss ich nicht, womöglich hat er gar keinen Namen. Ich hoffe einfach, dass er nie einen «Titel» holt.

PS:
– Von meinem Traumstrand machte ich keine Fotos. Die hier verwendete Symbolbild stammt von einem Strand auf Vis – auch schön, auch menschenleer. Ich übernachtete dort unter freiem Himmel.
– Von Stiniva Beach gibt’s selbstverständlich eine eigene Website, sogar auf Deutsch. Und viele schöne Fotos.

Eine kleine Ode an Italien

Die letzten zehn Tage radelte ich mehrheitlich durch Teile des Piemonts, der Lombardei und der Provinz Emilia-Romagna. Zum Glück hatte ich vor dem Start ein paar Stunden für die Routenwahl investiert. Die Route ging durch endlose Weizenfelder und schmucke Städtchen mit viel Patina, ein paarmal auch durch Siedlungsbrei, grau und hässlich. Meistens war ich auf Nebenstrassen unterwegs, was wenig Verkehr und mehr Höhenmeter bedeutete, aber viel mehr Ruhe und Genuss brachte. Der Flow kam – täglich!

Der pralle Sommer begleitete mich von Domodossola bis vor Ancona. (Am elften Tag pausierte ich in Senigallia, und dann regnete es sanft.) Und noch etwas war allgegenwärtig: die Fröhlichkeit und Gelassenheit der Menschen, denen ich begegnet bin, in den Gasthöfen, auf dem Markt, im Lebensmittelladen oder, wie gerade vorhin, auf der Post, als ich ein Paket aufgab, was für sich alleine ein amüsantes Posting abgäbe. Damit wäre auch geklärt, dass ich die Triage doch noch gemacht habe.

Ich erinnere mich an keinen einzigen Raser, in unübersichtlichen Situationen waren die Automobilistinnen und Lastwagenfahrer rücksichtsvoll, nur einmal, in einem Kreisel, wurde mir der Vortritt verweigert. Ich war überrascht, wie viele gute Radwege es gibt. In Bologna beispielsweise führt eine Spur bis fast ins Stadtzentrum, ohne dass ich etwas vom übrigen Verkehr bemerkt hätte.

Und dann das Essen, amici: DAS ESSEN! In den letzten zehn Tagen habe ich und gut und viel gegessen. Die italienische Küche gilt zwar nicht als «haute cuisine», sie ist dafür währschaft und mit Liebe zubereitet – darum geht’s. Teil des Erfolgs ist das Personal: Die Leute im Service lieben, was sie tun. Ich erlebte sie als aufmerksam, charmant und umsichtig, und ja, sie wussten intuitiv um meinen süssen Zahn. Selten kam ich ohne Dolci davon – was soll’s, nach einer halben Stunde im Sattel ist der Zucker wieder weggestrampelt!

Zwei kurze Geschichten will ich euch nicht vorenthalten. Sie sind mitverantwortlich dafür, dass ich diese kleinen Ode an Italien schreibe und mit etwas Wehmut die Fähre über die Adria nach Kroatien nehme.

Das Wasserbidon ist leer, der Magen hat zu knurren begonnen, ich komme in der Bruthitze kaum noch voran. Als stoppe ich beim nächstbesten Restaurant und stelle «Yellow Jeff» in den Schatten eines 28-Tönners. Unter dem Vordach sitzen Männer in Unterhemden vor grossen Portionen. Sie schwatzen und alle scheinen sich zu kennen – benvenuti in der Lastwägeler-Beiz.

Kaum habe ich bestellt, will der Chauffeur nebenan etwas über mein Velo wissen. Die anderen hören zu, und dann geht es los mit ihren Fragen: Woher? Wohin? Warum? Ob das denn Ferien seien? Ich muss mich konzentrieren und bringe viele Antworten nur radebrechend hin, zuweilen hilft der Unterbau in Spanisch. Die Italiener stört das nicht, sie haben ein echtes Interesse an diesem ciclista aus der Schweiz. Aber irgendeinmal ist auch die zweite Runde Kaffee durch, sie stehen auf, klopfen mir mit ihren Pranken auf die Schultern und verabschieden sich wie alte Bekannte.

Sie hat kein italienisches Blut und ursprünglich einen anderen Namen

Vera hat dunkle Locken, Pfiff und ein offenes Antlitz. In ihren Adern fliesst kein italienisches Blut und sie hatte ursprünglich einen anderen Namen. Sie ist sich bewusst, dass niemand auf sie gewartet hat und sie mehr leisten muss als andere, um mit ihren Leben voranzukommen. Viel mehr.

Sie hat einen Job und vermietet nebenher ihre Wohnung auf der Plattform von AirBnB, um den Lohn aufzubessern. Das Geschäftliche wickelt Vera effizient und zugleich herzlich ab. Ihre Wohnung hat sie mit wenig Geld, aber viel Geschmack eingerichtet. Überall stehen Blumen – echte Blumen, währenddessen es in den meisten anderen AiBnB solche aus Plastik hat! –, und es riecht nach Sonne. Die Schranktüren in der Küche sind aus Schiefer, so dass sich die Gäste mit Kreide kreativ austoben können – und das taten sie! (Ich Dösel fand das so cool, dass ich die Werke zu fotografieren vergass.) Ihre Wohnung ist wie ein richtiges Zuhause. Wenn Vera Touristen beherbergt, schläft sie bei Bekannten. Veras Geschichte ist diejenige vieler Migrantinnen in Italien.

PS:
Damit ich doch noch etwas kritisiere: Zwei Sachen können sie nicht in Italien: Frühstück und Salatsauce.

Wieso es so schwer ist, leicht zu reisen

Achtzehn Stunden vor meiner Abfahrt ist auf der langen Packliste ein Wort immer noch mit gelber Farbe hinterlegt. Gelb bedeutet, dass dieses Ding noch fehlt.

Sicheren Schrittes betrete ich den Transa im Berner Stadtzentrum. Weil im Laden gerade Flaute herrscht, stürzen sich gleich zwei Verkäufer auf mich. «Was ich dringend brauche, ist ein sehr profaner Gegenstand», hebe ich an. «Etwa fünf Meter lang und am liebsten in einer auffälligen Farbe, sonst geht er wieder verloren.»

Zwei Augenpaare gucken neugierig.

«Ich brauche für mein Velotour eine neue Wäscheleine.»

Verkäufer Nummer 1 wieselt zielstrebig davon. Fünfzehn Sekunden später ist er zurück und meldet: «Nichts mehr hier!» Verkäufer Nummer 2 macht sich am Computer zu schaffen. Zehn Sekunden später, etwas zerknirscht: «Sie liefern erst wieder im August.»

«Sehr gut», antworte ich, «dann wasche ich erst wieder im August!» Sie müssen lachen.

Zu Hause angelangt, beginnt die 12. oder 13. Triage. Der Boden meiner halben Wohnung ist ausgelegt mit dem Material, das auf der Liste steht. In den letzten 11 Sessions hatte ich festgelegt, welche Sachen zwingend mit dabei sein müssen. Diese stapeln sich neben dem Sofa, diejenigen, die als «nice to have» gelten, müssen links an der Wand warten.

Das Problem dieser Sessions: Ich werde immer wieder wankelmütig. Ein Beispiel: Kabelbinder. Klar, die leisten gute Dienste, also sollen ein paar mit. Also lege ich 10 Stück bereit, die anderen 10 kommen auf die linke Seite. Eine Stunde später liegen wieder alle 20 Stück beim Sofa, es könnte ja sein, dass unterwegs andere Bikepacker keine mehr haben oder die Halterung einer Sacoche reisst. Ach.

Ein Abwägen in «Arena»-Länge gibt es bei den Schuhen: Vier Monate nur mit den Velo-Klickschuhen unterwegs zu sein, das wäre würdelos. Aber welche bieten den grössten Nutzen? Die Flipflops mit der Tricolore? Die ausgelatschten, aber immer noch brauchbaren Wanderschuhe? Die glänzenden Gummistiefelchen, die die Füsse auch im Landregen trockenhalten? Die Flusslatschen, die seit Jahren keine Pflegemittel mehr gekriegt haben, weil sie ja ohnehin immer wieder nass werden?

Ich zaudere und zaudere und zugleich hadere ich mit mir: Es ist unendlich schwer für mich, leicht zu reisen.

In all den Jahren bin ich ziemlich gut geworden im Erstellen von Packlisten. Wenn es aber ums Triagieren geht, bleibe ich eine Nuss. So kommt es, wie es kommen muss: Ich starte meine Biketrips stets mit zu viel Gepäck. Kaum keuche ich dann die erste nahrhafte Steigung hoch, fluche ich wie ein Stallknecht.
(Die Geschichte geht nach dem Bild noch weiter. Okay, das ist jetzt der worst cliff hanger ever.)

Donnerstagmorgen. Die grosse gelbe Tasche und die vier Sacochen sind gepackt (mit drei Schuhpaaren drin!). Ich sattle auf und will im Quartier eine Probefahrt machen. Schon nach wenigen Metern merke ich, dass etwas nicht stimmt. Ich sitze wie auf Watte, so unendlich weich wie vermutlich seit Baby-Jahren nicht mehr.

Wieder in der Wohnung stelle ich mich vor den Spiegel und gucke das Füdle genauer an. Es hat unten eine unförmige Ausbeulung. Ich habe es tatsächlich geschafft, eine gepolsterte Velohose über eine gepolsterte Velo-Unterhose anzuziehen.

PS:
Zurzeit bin ich in der Lombardei. Die ersten Tage sind problemlos verlaufen: Es rollt, die Sonne brennt, das rechte Knie hält, ich esse viel und gut. Und alle paar Stunden gumpe ich in einen Fluss oder See. Ohne gepolsterte Velo-Hose, aber das ist eine andere Geschichte.

«I’m addicted to the flow»

The pandemic years are history – hopefully for good. So it’s high time for a large bike trip. All the way from Switzerland to Iran has been on my bucket lists for a many years. Soon, I should be ready to hit the road together with my loyal partner, Yellow Jeff. Office mate Suppino asked me a couple of questions about this journey. 

So, it’s for real, Mark, you’re going to Tehran?

Nope, dude, I’m not going, I’m cycling, C-Y-C-L-I-N-G.

Okay. But why on earth did you chose Tehran?

Well see, Taipeh and Tokyo are simply too fare away from Switzerland. At least for me. (Twinkering with his eyes.)

Would you mind giving proper answers?

Sure, Suppino, would you mind posing smarter questions? (Office mate Suppino is rolling his eyes big time.)

What made you chose the capital of Iran?

Frankly, I don’t care about Tehran, it’s the country. I heard and red from so many cyclists that Iran is stunning – in terms of landscape as well as the hospitality of it’s people. The same applies for Turkey, Armenia and Georgia. I’m truly hoping I can make it, the right knee is my weak spot.

But then, why don’t you fly to Istanbul or Ankara and start cycling there?

There you got a point. But you should not underestimate the beauty of starting a biketrip right in front of your house. The second reason: I’m very curious about the countries in the Balkans. In the nineties, I worked a couple of years in Sarajevo. So, I want to go back, Sarajevo holds a special place in my heart.

It’s an epic trip to Tehran. Are you in shape to ride some 6000 kilometres?

My daily workout happens in the indoor swimming pool. But see, there’s no need to be in a good shape before you start. The good shape comes while you’re cycling. There’s no rush, my bike trips are not about getting there. It’s all about being on the road, it’s about nature, meeting people, food and it’s about the flow. I confess that I’m addicted to the flow as much as I’m addicted to winter swimming in the river (mostly the Aare in Berne). By the way, it’s possible that I’m taking a bus if the weather is bad or I’m exhausted. (Office mate Suppino recalls silently that Mark stressed C-Y-C-L-I-N-G at the beginning of this interview. But since he’s a nice guy he keeps it for himself.)

Talking about people. You’re travelling alone.

Correct. Cycling alone offers two great things: Firstly, you deal intensely with yourself, at the same time you’re open to others or to be approached by others. The countries I’ll be passing, people are warm hearted and they are not rushing through their lives as most of us do in the Western world.

Six years ago, you cycled from Berne to North Cape. What are your learnings from this trip?

I learned a lot, indeed. But what counts is something else: Cycling is freedom.

You’ve got your on company. How do you handle it while you’re on the road?

In fact, this bike trip is a gift since my company turns 20 this year. Business colleagues in my network are taking care of some of my clients, other take a long summer break. Keeping things «on hold» for a while shall be a win-win situation.

Pictures from Marks bike trip will be posted on Instragram.