Eine Bumm-bumm-Massage an Weihnachten

Andere beschenken sich in diesen Stunden, also darf ich mir am Abend des zweiten Weihnachtstages auch etwas gönnen – eine Massage.

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Ich erkläre Buth (Foto) meinen Wunsch. Der Kambodschaner ist Tuk-Tuk-Fahrer und ein Glücksfall: Er ist ehrlich, extravertiert (als Asiate!), immer guter Laune, und er hat ein runden fröhliches Gesicht. Die ausgezeichneten Englischkenntnisse, die er sich bei buddhistischen Mönchen aneignete, erleichtern den Austausch enorm. Er zeigte mir heute die Tempel, das schwimmende Dorf auf dem Mekong, das Vietnamesen gebaut hatten, weil ihnen das Geld fehlte, Land zu erwerben. Dazwischen spielen wir Billard und trinken Kaffee. Buths Stadt heisst Kampong Cham. Sie besteht aus verschwenderisch breiten Strassen und Pseudo-Kolonialhäuser mit viel Umschwung und noch mehr Kitsch. Die Liegenschaften der regionalen Regierung gleichen Palästen, und die Autos, die davor parken, sind neu, fett und teuer. Wer sich hier einen Posten holt, hat gute Beziehungen und viel Geld, und nach vier oder acht Jahren nochmals ein bisschen mehr von beidem.

Doch zurück zu meinem persönlichen Weihnachtsgeschenk – der Massage. „Do you want Bumm bumm massage or regular massage?“, fragt Buth. Ich muss verdutzt dreingeblickt haben. Buth bricht in schallendes Gelächter aus und los geht die Fahrt. Nach ein paar Minuten bringt er sein Gefährt in einer Seitenstrasse zum Stehen. Hühner trippeln geschäftig herum, irgendwo liegt eine Katze, Hunde begutachten die Neuankömmlinge neugierig, bleiben aber auf Distanz, kleine Kinder sitzen im Staub und spielen, auf einem improvisierten Grill brutzelt irgendetwas. Vor dem Hauseingang erkenne ich im Halbdunkel einen jungen Mann, klein und dicklich, mit nacktem Oberkörper und nur mit einer hellblauen Seidenhose bekleidet. Unsicher tappt er umher. Im Neonlicht sieht er aus wie ein Bonsai-Sumo-Kämpfer. Wie sich herausstellt, ist er blind. Das also ist der Masseur. Mit seiner Mutter – oder Schwester? – handle ich eine Behandlung für eine Stunde aus.

Schnell ist die Pritsche vor dem Haus hergerichtet, nur von einer kleinen Wand aus Bambus geschützt, ich ziehe mich bis auf die Unterhosen aus und mache es mir bequem, und schon ertasten die Hände des Blinden fachmännisch meinen Rücken, den Nacken und die Beine. „Wie eine Kontrolle“, schiesst er mir durch den Kopf. Und dann geht es los: Von wegen Massage, phoah!, hat dieser Kerl Kraft in den Fingern; er knetet, ja walkt mich durch. Zielsicher findet er jeden, aber aaauch wirkliiich jeeeden Trigger-Punkt. Der Ablauf ist stets derselbe: Wenn er an einer dieser heiklen Stellen zu drücken beginnt, eine Minute, zwei Minuten, eine halbe Ewigkeit lang, kräftig und immer kräftiger… schiessen mir zuerst die Tränen in die Augen. Ich beisse in das Kissen, um nicht laut zu schreien. Wenn der grösste Schmerz vorüber ist, stellt sich das Gefühl einer Lähmung ein. Ich liege und leide still vor mich hin und hadere mit mir: „Dämlicher Masochist. Und das an Weihnachten.“

Rings um mich herum geht das Leben weiter: Ich höre Kindern herumwuseln, Nachbarn kommen auf einen Schwatz vorbei und gehen wieder. Vermutlich gucken sie meine Rückseite ausgiebig an, so einen langen Falang sieht man hier schliesslich nicht aller Tage. Schliesslich die Erlösung: „Finished!“, sagt der Masseur. Ich atme auf, drehe mich um – und erschrecke: Vor mir steht ein anderer Mann, gross und schlank, aber auch nur mit einer hellblauen Seidenhose bekleidet. Ganz offensichtlich ist auch er blind. Er muss meine Reaktion gespürt haben: „My brother“, bringt er hervor und deutet mit der rechten Hand nach hinten. Und tatsächlich: Dort döst der Dickliche in einer Hängematte. Während der Prozedur müssen sie sich abgewechselt haben. Cleveres Geschäftsmodell.


Auf dieser Reise musste mein Rücken auch noch anderswo leiden: Am ersten Segeltag im Andamanensee schlummerte ich, zufrieden und faul im gespannten Netz liegend, ein. Die reflektierende Sonne hinterliess Spuren. Sie sehen “gfürchig” aus, taten aber nicht weh. Dermatologen: weggucken!

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