Giacobbo und der Gorilla

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Das Schönste an
der letzten „Giacobbo/Müller“-Sendung sind die zahllosen Rückmeldungen, die ich per Telefon, E-Mail und SMS erhalten habe – „Hellou soziale Anerkennung!” Zum Teil meldeten sich Leute, die ich vor 20 Jahren aus den Augen verloren hatte. Auch Dutzende von Unbekannten mailten mir ihre Feedbacks, die teilweise sehr präzis waren. Zum Beispiel D.K.:

„Ihre 10 Minuten bei Giacobbo/Müller habe ich als sehr erfrischend erlebt; klare Aussagen, etwas Humor und dazu noch mehr als nur ein Hauch Feminismus. Mein Eindruck wurde leider getrübt durch ihre Körpersprache (die Hände waren Klasse). Die gorillamässige Sitzhaltung wirkte wenig sympathisch. Das können Sie besser.“

D.K. hat Recht, non-verbal bot ich einen merkwürdigen Auftritt and I’m not fishing for compliments. Doch schauen Sie ihn sich selber an:

Giacobbo/Müller – Late Service Public: Talk vom 20. November 2016

Seit nunmehr 14 Jahren
mache ich Einzelpersonen fit für wichtige Auftritte, eine Mehrheit davon kommt übrigens nicht aus der Politik. Ich trainiere mit Ihnen, wie sie überzeugend argumentieren und Botschaften platzieren können. Bei Vorträgen, Interviews, Podien und Präsentationen vor der Geschäftsleitung. Als Talkgast bei der „Late-Night-Show“ von SRF war ich nun selber gefordert. Wie viele Tipps, die ich jeweils in unseren Trainings vermittle, konnte ich selber umsetzen?

Nun, ich bin nicht zufrieden mit meinem Auftritt. Wieso?

– Ich brachte nur in Teilen rüber, was ich im Kopf hatte, wichtige Punkte vergass ich komplett, und das darf nicht passieren.

– Die Schlagfertigkeit, sonst eine Stärke von mir, war wie weggeblasen. Es war nicht mein Ziel, lustig zu sein. Das funktioniert nie. Aber ein paar Pointen wollte ich schon landen.

– Dass ich nervös war, zeigte meine Körpersprache. Das ständige Vor- und Zurücklehnen – eben der “Gorilla” – hätte es nicht gebraucht. Während des ganzen Talks suchte ich meine Mitte.

Was mich noch lange ärgern wird: Die Beratung von Politikerinnen und Politikern ist seit 14 Jahren bloss ein Nischengeschäft meiner Agentur. Unsere Aufträge kommen hauptsächlich aus der Privatwirtschaft, zum Teil von der öffentlichen Hand sowie von Einzelpersonen, die keine politischen Ämter innehaben. Das hätte ich Viktor Giacobbo, Mike Müller und der „Late-Night“-Gemeinde in zwei Sätzen erklären sollen. Im Stress vergass ich es – Scheibenkleister, Plattform nicht genutzt.

In schöner Erinnerung ist mir der zweite Teil des Sonntags: Die ganze Crew geht jeweils nach der Show im „Kaufleuten“ essen, die Gäste dürfen mit. Das Znacht war lukullisch, die Runde in bester Laune. Ein feiner Abend, aber äbe: der Auftritt, goppeletti!

 

Nachtrag vom 12. Dezember 2016:

“Giacobbo/Müller” ist Geschichte, gestern wurde die letzte Sendung ausgestrahlt, Talkgast war Bundesrätin und Medienministerin Doris Leuthard – ein würdiger Abschluss. “Late Service Public” wurde in den letzten Jahren oft belächelt, Satire habe einen schweren Stand in der Schweiz, die Pointen seien flach. Diese Kritik ist nicht falsch, aber sie blendet aus, dass “Giacobbo/Müller” auch viele gute Momente hatte, bestens unterhielt und “eine Sendung wie die Schweiz war”, wie  “Tages-Anzeiger”-Redaktor Philipp Loser schreibt. Er würdigt die Sendung auf eine faire Art.

Der Mann, der stumm wie ein Fisch blieb

Dieses Ereignis jährt sich heute zum 15. Mal – und es legte einen wichtigen Stein für meine Tätigkeit.

Ich war damals Redaktor bei Radio SRF (hach, DRS….). Nach der Morgensitzung vertiefte ich mich in ein Thema und versuchte, mich schlau(er) zu machen. Alsbald hatte ich jemanden am Telefon, der klar, verständlich und mit einer angenehmen Stimme erklärte, was Sache ist. „Bingo!“, jubelte ich innerlich, „das wird mein Studiogast.“

Gedacht, getan. Ich fragte den Experten, ob er Zeit habe, vorbeizukommen. Längere Beiträge kämen besser rüber, wenn die Gäste in Studioqualität sprechen würden. Er willigte ein und stand am frühen Nachmittag pünktlich vor der Türe. Ein Händedruck, eine Begrüssungsfloskel, ein kurzes gegenseitiges Abchecken und schon hatte ich die Kaffeemaschine in Gang gesetzt.

Im Vorgespräch vermittelte er mir strukturiert und empathisch weitere Hintergründe, und wir steckten die Stossrichtung des Gesprächs ab. Frohgemut führte ich meinen Gast ins Aufnahmestudio, reichte ihm einen Kopfhörer, pegelte die Lautstärke ein, startete das Band (eine Bandmaschine von Revox, hell!) und stellte meine erste Frage. Stille. Mein Vis-à-vis öffnete seinen Mund… langsam, wie in Zeitlupe, schloss ihn wieder, um ihn alsbald erneut zu öffnen. Allein: er brachte keinen Ton über die Lippen.

Ich lächelte ihm aufmunternd zu, machte einen flapsigen Spruch und stellte die Frage erneut. Stille. Wieder blieb mein Gast stumm wie ein Fisch. Gequält blickte er mich an. „Das ist Filippo Leutenegger bei einer Live-Schaltung in die ‚Tagesschau’ auch einmal passiert, als er noch Italien-Korrespondent war. Sie sind also in guter Gesellschaft“, versuchte ich Druck von ihm wegzunehmen. Er schluckte leer und blieb auch beim dritten Versuch stumm, sein Gesicht war inzwischen rot angelaufen.

„Machen wir doch eine Pause, das kann den Knopf lösen“, schlug ich vor. In der Cafeteria trank er ein Glas Wasser, sein Sprechstau war weg, meine Zuversicht stieg. Wieder setzten wir uns ins Aufnahmestudio, „Band läuft!“, ich stellte eine andere Frage – Stille. Mit hängenden Schultern guckte mich mein Gast an. Hilflos. Verschämt. Auch die weiteren Versuche blieben erfolglos.

Schliesslich notierten wir auf Flipcharts die wichtigsten Stichworte – pro Frage ein Blatt. Mit diesem Hilfsmittel und viel Geduld brachten wir schliesslich doch ein paar Antworten auf Band. Brauchbar waren sie nicht: Der Mann stotterte sich durch seine Sätze, seine Aussagen hatten kaum einen roten Faden, die Stimme verlor manchmal ihren Ton. Ich bedankte mich und er verabschiedete sich hastig. Wir beide wussten, dass ich keine einzige Antwort dieses Interviews verwenden konnte.

Ich war deprimiert. Es darf nicht sein, das jemand, der etwas zu sagen hätte, es nicht sagen kann. Zwei Jahre nach diesem Erlebnis gründete ich meine Firma, eines unserer Angebote sind… Kommunikationstrainings. In der Zwischenzeit habe ich über 300 solche Trainings gegeben und ich tue es weiterhin sehr gerne.

Wie ein solches Training mit uns grosso modo abläuft, zeigt ein Beitrag des Regionalsenders „TeleM1“. Er ist zwar nicht mehr taufrisch, eignet sich aber ganz gut für die Selbstpromo. Nebenbei: Rund 75 Prozent aller Trainings geben wir Leuten aus einem nicht-politischen Umfeld.