Die Idee begann in einer Bibliothek zu reifen

Als ich die Anwaltskanzlei verlasse, klebt mir das Hemd am Leib. Die Luft flirrt an diesem heissen Tag, aber ich gehe wie auf Wolken. Im Garten des Restaurants «Gotthard» in Brugg (AG) bestelle ich ein Glas Weisswein und fühle mich grossartig. Ein ehemaliger Pfadikollege hat den ganzen Papierkram für mich erledigt, jetzt bin ich Inhaber einer Kommunikationsfirma. Das war heute vor 20 Jahren. Der Tagebucheintrag ist knapp: «Die Chancen stehen bei 50 Prozent. Pack sie!!!»

Diese 20 Jahre waren manchmal Rock’n’Roll und manchmal Blues; längst nicht alles entwickelte sich so, wie ich wollte. Manchmal hatten wir zu wenig Büez, manchmal zu viel, Work & Life gerieten zuweilen aus der Balance, in den ersten Jahren getraute ich mich nicht, Ferien zu machen. Die langen Velotouren ans Nordkap (2016) und in den Iran (aktuell, noch bis Ende September) sind letztlich Kompensationen dafür. Einmal spielte ich gar mit dem Gedanken, meine Firma zu verkaufen, um endlich einen eigenen Roman schreiben zu können.

Wenn ich auf 20 Jahre Border Crossing zurückblicke, bin ich erfüllt von grosser Dankbarkeit, Freude und auch etwas Stolz. Die Idee der Selbständigkeit begann in der Bibliothek der Universität Cardiff zu reifen. Dort verbrachte ich viele Abende und zuweilen halbe Nächte. (Die Bibliotheken der britischen Unis sind rund um die Uhr zugänglich.) Sie liess mich nicht mehr los.

Würde ich, nach all den Erfahrungen und Fehlern, die ich gemacht habe, den Schritt in die Selbständigkeit wieder wagen? Auf jeden Fall.

Das eigene Ding durchzuziehen beflügelt und manchmal sorgt es für schlaflose Nächte. Beides braucht es. Als Kleinunternehmer bin ich mutig und unkonventionell, in finanzieller Hinsicht allerdings konservativ. So blieb das Aktienkapital immer unangetastet – für schwierige Zeiten. In der Schweiz gibt es prozentual weniger Selbständige als anderswo, das Sicherheitsdenken ist gross, die Angst vor dem Scheitern noch grösser. Das ist schade.

Meilensteine waren die drei Bücher, die ich schrieb, und das vierte, das ich 2020 während der Coronazeit herausgab. Eine Herzensangelegenheit war mir die Rettung der Tageszeitung «Der Bund», die wir 2008/2009 zu unserer Aufgabe machten, und die Rettung des Politforums Käfigturm in Bern, die ich 2015/2016 zusammen mit einem Berufskollegen initiierte und vorantrieb. Beide Projekte waren pro bono.

Zu derselben Kategorie, allerdings bezahlt, zählt 2017/2018 der Kampf gegen «No Billag», der episch lange dauerte. Dass dieselben traurigen Figuren bereits ein zweites Mal mit einer vergleichbarer Volksinitiative kommen, zeigt, was sie von klaren Volksentscheiden halten. Ihre Absicht ist klar: Nach der Halbierung des öffentlichen Rundfunks wollen sie ihn in einem zweiten Schritt ganz zerstören. Der Widerstand gegen «No Nillag 2» ist bereits gebündelt: Im letzten Winter habe ich zusammen mit der Bewegung Courage Civil die Allianz «Pro Medienvielfalt» lanciert. Sie wird zum Bollwerk gegen diese brandgefährlichen Attacke aus der libertären Ecke.

20 Jahre Selbständigkeit sind wie im Flug vergangen. Menschen, die mir wichtig sind, haben sie möglich gemacht.
– 🙏  Mein Dank geht an Beatrice, Manuela, Mathias, Thomas und Aline, die in meiner Firma Spuren hinterlassen haben. Sie haben kritisch, initiativ und mit Schwung mitgewirkt, nie musste ich sie antreiben.

– 🙏  Ich danke den Gspändli aus unserem Netzwerk, mit denen wir seit Jahren eng zusammenarbeiten. Mit ihnen läuft es rund, sie bringen Ideen und Inputs ein, und deshalb werden unsere «Produkte» schliesslich besser. Dieser Kreis vergrössert an Cracks vergrössert sich stetig.

– 🙏  Sie kamen mit einer Herausforderung auf uns zu und wurden zu Auftraggeberinnen und Auftraggeber. Viele von ihnen haben das wiederholt getan. Ihnen danke ich herzlich für das Vertrauen, das partnerschaftliche Kneten an einer Aufgabe und die Honorare.

Im 21. Jahr der Border Crossing AG ist alles im Fluss und ich bin ab dem 1. Oktober wieder im Büro. Was bleibt, ist unser Credo: Knowhow, Herzblut, Pfiff.

Unsere Disziplinen sind Medienarbeit, Krisenkommunikation, strategische Kommunikation und Auftrittskompetenz/Rhetorik. Gelegentlich machen wir auch Abstimmungs- und Wahlkampagnen. Ein Drittel der Aufträge stammt aus dem politischen Umfeld, Referenzen gibt’s hier. Dieser Werbespot musste zur Feier des Tages sein!

Und wie feiere ich dieses 20-Jahr-Jubiläum? Allein und ganz still, irgendwo in den Bergen Armeniens, mit dem Velo, aber ohne Weisswein. Ich werde mich heute für eine Stunde in den Schatten eines Baumes setzen und auf die Abenteuer meines «Budelis» zurückschauen.

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Demokratie braucht starke Medien

In Deutschland torpediert die AfD seit Jahren die Rundfunkanstalten ARD und ZDF. In Grossbritannien kommt es immer wieder zu ruppigen Attacken auf die BBC, in Österreich wurde der ORF zur Zielscheibe. Das gilt auch für die SRG, übrigens keine öffentlich-rechtliche Anstalt, sondern ein Verein mit rund 22’000 Mitgliedern.

Vier Jahre nachdem das Schweizer Volk die No-Billag-Initiative mit 71,6 Prozent Nein versenkt hat, erfolgt bereits der nächste Angriff auf die kulturelle Vielfalt unseres Landes. Was die libertäre Truppe um SVP-Nationalrat Thomas Matter und Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler gestern präsentierte, nennt sie SRG-Initiative, «200 Franken sind genug».

Um einen auf Jay Badran zu machen: Ich habe ein Déjà vu, gopfverdammi!. Bei Lichte betrachtet ist diese Volksinitiative eine «No Billag 2». Für gewisse Leute ist Demokratie offenbar ein Flipperkasten. Was wir vor ein paar wenigen Jahren mühsehlig durchkauten, muss also jetzt schon wieder sein. Und natürlich blenden die Initianten aus, dass die Haushaltabgabe innerhalb von fünf Jahren um 25 Prozent reduziert wurde.

Der Krieg in der Ukraine führt uns gerade vor Augen, wie wichtig unabhängiger Journalismus ist. So agieren die russischen Medien als Propagandakanäle von Putins Regime. Wir in der Schweiz haben hingegen Zugang zu ausgewogener und verifizierter Information. Mehrere Medienschaffende von Schweizer Radio und Fernsehen sind vor Ort oder zumindest in der Region (Luzia Tschirky, Christof Franzen, für RTS Tristan Dessert), während mit David Nauer ein langjähriger ehemaliger Russland-Korrespondent von hier aus für Kontext und Analyse sorgt. Dieses Team hat bislang sehr gute Arbeit geleistet, ergänzt durch den 24/7-Service von Radio SRF4 News.

Informations- und Hintergrundsendungen sind in der kleinräumigen und viersprachigen Schweiz teuer. Aber: Demokratie braucht starke und unabhängige Medien. Eine überzeugende Studie zeigt, dass Staaten mit einem starken Service Public solidere Demokratien sind.

Die Freiburger Ständeratin Isabelle Chassot bringt einen anderen Aspekt ein: «Wir kommen aus einer beispiellosen Krise, die unserer Gesellschaft sehr zugesetzt hat. Und gerade jetzt, in einer Zeit der Polarisierung, erfolgt mit „No Billag 2“ ein erneuter Angriff auf die Medienvielfalt. Ein Ja zu dieser Initiative würde das Angebot an Information, Kultur und Sport drastisch reduzieren. Die Konsequenz wäre mehr Zentralisierung und weniger Schweiz.»

Ich will für Transparenz sorgen: Nachdem der SRG-Verwaltungsrat 2018 entschieden hatte, den Radiostandort Bern zu zerstückeln, war für mich klar: Egal, was passiert, das öffentliche Medienhaus der Schweiz kann nach diesem intelligenzfreien Beschluss nie mehr auf mich zählen. Während meiner Wanderungen im letzten Herbst kam das Thema allerdings immer wieder hoch und meine Entscheidung geriet ins Wanken. In der Weihnachtszeit, als klar wurde, dass die «Halbierungsinitiative» lanciert wird, kippte ich ganz. «So nicht!», sagte ich mir. Diesem erneuten Frontalangriff auf die Vielfalt der Schweiz muss ich entgegenhalten.

Die letzten Wochen habe ich zusammen mit einer kleinen Gruppe der Bewegung Courage Civil damit begonnen, die Allianz «Pro Medienvielfalt» aufzubauen.

Sie hat einen langen Weg vor sich, aber die Debatte um Medienvielfalt, Relevanz und Service Public müssen wir führen. Zunächst gilt es allerdings, diesen Kahlschlag namens «No Billag 2» abzuwehren.

Auf der Website ist eine Grundsatzerklärung aufgeschaltet. Wer sie mitträgt, kann sie unterzeichnen und so Teil der Allianz «Pro Medienvielfalt» werden.