Polo Hofer war kein grosser Sänger, live traf er die Töne oft nicht genau. Aber er wusste seit seinem Start als Schlagzeuger und Frontmann in den Sechzigerjahren, dass die Show wichtiger ist als Song und Sound. Entsprechend setzte er die Prioritäten auf der Bühne: Hofer wollte unterhalten, ja abräumen, und das schaffte er mit Fleiss und schauspielerischem Talent. Am letzten Samstag ist er 72-jährig für immer eingeschlafen.
Seit ein paar Jahren ist Storytelling in aller Munde. Der leutselige und zugleich unnahbare Hofer war darin ein Pionier: Er erzählte Geschichten, auf und neben der Bühne, und diese gab er mit einer traumwandlerischen Sicherheit für Dramaturgie und Timing. Ich erinnere mich an einen privaten Auftritt bei einem befreundeten Ehepaar. Die Geschichte, die Polo dort erzählte, dauerte sicher zehn Minuten. Hätte man sie niedergeschrieben und durch irgendeinen Sprecher nacherzählen lassen, wäre das Publikum eingeschlafen. Sie war flach, unglaublich flach, und die Pointe so abgelutscht wie Adolf Ogis “Freude herrscht!” oder das „Söll emol cho!“ aus Kurt Felix’ TV-Show „Teleboy“ (Ein Gag mit versteckter Kamera). Aber Hofer baute von Anfang an geschickt Spannung auf, entwickelte Dialoge, und wir hingen gebannt an seinen Lippen. Verzückt. Dann durften die Musikanten der “Schmetterband” wieder auf die Bühne und das Set ging routiniert weiter.
Polo Hofer war ein grandioser Geschichtenerzähler.
Was in der „R.I.P. Polo Hofer“-Welle, die seit 15 Stunden über die Schweiz hinwegrollt, bislang untergegangen ist: Hofer hatte immer herausragende Musiker an seiner Seite. Bei „Rumpelstilz“ waren es Schifer Schafer (Gitarre), Hanery Amman (Tasten, Bild) und Küre Güdel (Schlagzeug), bei der „Switzerband“ (das Projekt von 1983 mit gleichnamiger LP; Anspieltipp: “Wart doch, i chume”, ein Duett mit Marc “Cuco” Dietrich) die Zwillingsbrüder Walter (Schlagzeug) und Peter Kaiser (Bass), bei „Schmetterding“ die grossartige Marianna Polistena (Tasten, Bild), bei der „Schmetterband“ schliesslich Markus Kühne (Saxofon), H.P. Brüggemann (Tasten) und Tinu Diem (Gitarre).
Ohne diese Musiker wäre Polo Hofer vermutlich nie ein Grosser geworden. Er verführte das Publikum mit Allerweltsrock, Hymnen und seinen Geschichten, die “Musical Directors” Amman, Polistena und Brüggemann führten Hofer durch die Sets.
Mein Hörtipp:
„Live im Anker“ (1989). Dieses Album spielten die vorübergehend wieder vereinigten „Rumpelstilz“, diese grossartige Combo, an drei Abenden ein. Nein, nicht in irgendeiner Beiz, sondern im legendären Musiklokal von Hanery Ammans Schwester in Interlaken. Kennerinnen und Kenner schwärmen noch heute von diesen Auftritten. Die Musikanten waren in der Form ihres Lebens, Hofer bei Stimme wie selten zuvor. Und wie nie mehr danach. Leider.
Epilog:
Das R.I.P. (Rest in Peace), das auf Social Media seit geraumer Zeit inflationär verwendet wird, geht mir auf den Zeiger. Gerade bei einem Sänger wie Hofer, der seit 1970 auf Mundart setzte, hätte man etwas kreativer sein können. Aber womöglich geht es bei diesen öffentlichen Kondolationen auch um etwas anderes.
Andere Würdigungen vom 25. Juli 2017:
– Er war der Kumpel des Schweizer Volks (Bund, Ane Hebeisen)
– Ein Weltstar der Schweizer (NZZ, Ueli Bernays)
– “Lieber Polo, Du warst mein Erster” (Schweizer Illustrierte, Sandra Casalini)
– Mit Blues und Ironie gegen den Stock im Hintern (Tageswoche, Knackeboul)