Kein anderer Grossanlass passt besser zur Altstadt Berns als das Buskers. Vor der 13. Ausgabe dieses Strassenmusik-Festivals kommt Kritik auf. Es sei zu laut, reklamieren Anwohner, und “Der Bund” verstärkt diese Kritik mit einer fetten Story. Derzeit durch die Wälder Schwedens pedalend, habe ich gestern davon erfahren. Zuerst wurde ich wütend. Gedanken über Bern, das Bünzlitum und eventisierte Anlässe.
Wenn die Abendsonne die Gassen und Häuser in warmes Honigmelonengelb taucht, wenn es nach Crêpes und Nasi Goreng riecht, wenn sich grosse und kleine Kinder erwartungsfroh im Halbkreis auf den Boden setzen, wenn jongliert, parliert und musiziert wird – dann ist das Buskers im Gang. Nie ist Bern so herzlich wie während dieser drei Abende im August. Nie sieht man in der Stadt so viele glückliche Gesichter wie dann.
Das Buskers wurde stetig grösser und lauter, es mauserte sich zu einem Grossanlass mit einer beachtlichen Wertschöpfung. Die rund 70’000 Besucherinnen und Besucher dürften – ganz grob geschätzt – zwischen 6 und 10 Millionen Franken ausgeben. Leider hat sich das Buskers auch „eventisiert“, d.h. es zieht immer mehr Leute an, die mit Strassenmusik, Akrobatik und Co. nichts anfangen können. Das gleiche Phänomen kann man bei der Museumsnacht und beim Zibelemärit beobachten.
Jenen Leuten geht es um etwas anderes: Sie wollen Party machen – saufen. (Die meisten Beizen in der unteren Altstadt sind am Buskers-Weekend bis 3 Uhr morgens offen. Die Gastronomen stehen deshalb auch in der Pflicht.) Das Partyvolk lärmt. Die Bands müssen entsprechend lauter sein, sonst haben sie bei viel Publikum und grosser Geräuschkulisse keine Chance. Also werden ihre Konzerte inzwischen verstärkt. Das hat den Charme dieses Festivals deutlich reduziert, keine Frage. Und es stört offenbar Anwohner in der Altstadt.
Die Frage ist: Stört es ein paar Dutzend, ein paar Hundert oder tatsächlich alle Anwohner, wie der „Bund“ mit seinem reisserischen Titel suggeriert. Ungut, wie er so Stimmung gegen diesen Anlass macht, sich auf eine einzige Quelle stützend. Tatsache ist: 2015 ging bei der Polizei keine einzige Lärmklage ein. Das spricht Bände.
Was Lärm bedeutet, erfuhr ich, als ich noch sehr jung und knapp bei Kasse war: Ich wohnte an der Badenerstrasse in Zürich, es ging kurz nach 6 Uhr los und klang gegen 23 Uhr ab, 22’000 Verkehrsbewegungen täglich. Die Fenster waren schlecht isoliert und die Wände vibrierten, wenn Lastwagen vorbeidonnerten. Und so ging es 365 Tage pro Jahr. Das, liebe Freunde in der Altstadt, lieber Zuspitzer auf der „Bund“-Redaktion, das ist L ä r m b e l a s t u n g.
Das Buskers in Bern findet pro Jahr einmal statt, es dauert drei Abende jeweils von 18 bis 24 Uhr und um Mitternacht ist auch wirklich Schluss. Was hernach lärmt, sind ein paar Tausend Leute in der unteren Altstadt, die noch nicht nach Hause wollen. Aber ach herrje, es gibt ja noch die Fasnacht: Nochmals drei Abende Lärm bis 3 Uhr in der Früh. Man stelle sich vor, YB würde Meister – dann käme noch ein siebter Abend hinzu. Unerträglich!
Ironie beiseite: Was könnte man tun?
Es braucht Zivilcourage. Man muss mit den Leuten reden. Die Beizer sollen das Partyvolk zur Rücksichtnahme auffordern. Festivalbesucher und Altstadtbewohnerinnen, die sich gestört fühlen, sollen dasselbe tun. Anständig, aber mit klaren Worten. Das braucht etwas Mut und Autorität. Aber wenn Menschen zäme schnurre, ist das per se nicht schlecht.
Es gibt noch einen anderen Aspekt: Wenn die Welt drunter und drüber geht – Paris, Beirut, Brüssel, Nizza, München – , wenn die Glarners, Erdogans und Trumps ihr Gift versprühen, dann werden fröhliche und friedliche Feste wie das Buskers noch wichtiger.
Meine Firma ist seit vielen Jahren Gönner des Buskers Bern. Ich bin also Partei und habe bislang alle Festivals miterlebt. Die diesjährige Ausgabe werde ich verpassen. Zugegeben, ich mochte das Buskers in seinen Anfängen, also es noch klein und ein Insideranlass war, lieber. Die riesigen Menschenmassen und der Partycharakter spätabends in einzelnen Gassen sind nicht mein Ding. Entsprechend gehe ich jeweils schon auf 17.30 Uhr ans Festival und gegen 22 Uhr wieder nach Hause.