Über unseren Medienkonsum während der Corona-Krise


Bizarre Zeiten!

Von Viren, Immunsystemen und Epidemien verstehe ich nichts. Dafür von Medien. Sie haben während der Corona-Krise einen beträchtlichen Einfluss auf unsere Gesundheit. Darum geht es in diesem Posting.

Das Interesse der Menschen rund um das Thema Corona ist enorm. So schauten am Sonntagabend beispielsweise fast 1,5 Millionen Leute die Hauptausgabe der SRF-«Tagesschau». Das sind mehr als doppelt so viele wie normal. Die NZZ berechnete, dass in den letzten vier Wochen in den Schweizer Medien 18’736 Artikel mit den Schlagworten «Coronavirus» oder Covid-19» erschienen sind. Pro Tag entspricht das 625 Artikeln. (Die Radio- und Fernsehbeiträge wurden dabei nicht eingerechnet.)

Täglich 625 Artikel in Zeitungen und Online-Portalen – das ist erschlagend!

Ich verarbeite etwa 10 oder 15 Prozent dieser Corona-Nachrichtenflut. «Spinnsiech!», denkt ihr jetzt vermutlich. Stimmt, aber ich bin mehr als mein halbes Leben lang von Berufes wegen «heavy user» – offline und online – und deshalb allerhand gewohnt.

Was ich aber schon Mitte Februar machte: Ich stellte alle Push-Nachrichten ab, und ich kann euch nur empfehlen, dasselbe zu tun. Sie suggerieren, uns zu informieren, dabei verzerren sie das Thema und lösen Stress aus.

Was wir vielmehr brauchen, sind Fakten und eine regelmässige Einordnung. Gut eignet sich dafür die Website des Bundesamts für Gesundheit (BAG), die ich hier verlinke, und dessen Facebook-Page. Des Teufels sind die Verschwörungstheoretiker und Youtube-«Doktoren», die wieder aus ihren Löchern hervorgekrochen sind.

Die Medien haben bislang einen guten Job gemacht. Klar, es ist ein Overkill. Klar, es gab auch ein paar Ausreisser und zuweilen beschlich mich der Verdacht, dass das Clickbaiting immer noch eine Rolle spielt. Den Vorwurf, viele relevante Artikel seien hinter einer Bezahlschranke, teile ich nicht. Es gibt genügend Medien, deren Angebote frei zugänglich sind. So berichtet SRF beispielsweise zuverlässig, umfassend und vor allem: einordnend. Wäre vor zwei Jahren die No-Billag-Initiative angenommen worden, bestünde der Service Public jetzt nicht mehr.

Freunde von mir sind zurzeit newssüchtig, sie kleben stundenlang an ihren Geräten. Auf die Dauer ist das gefährlich, weil man ausbrennt. Einmal pro Tag News zu konsumieren würde ausreichen, finde ich. Entscheidend ist, dass das Thema eingeordnet wird. Wer nicht lesen mag: Radio SRF4 News – auf DAB und im Netz verbreitet – liefert 24/7 einen ausgezeichneten Service, Einordnung inklusive.

So, ich gurgle jetzt mit lauwarmem Wasser, was die Schleimhäute geschmeidig hält, und bummle dann zum «Rosengarten». Dort inhaliere ich 15 Minuten lang den prallen Frühling, komme wieder nach Hause, wasche die Hände ausgiebig mit Seife, tausche den Hoodie mit einem neuen Hemd ein, setze Kaffee auf und mich an den grossen Tisch in der Stube. Bevor ich den Deckel des Macbooks aufklappe und zu arbeiten beginne, sage ich laut in den Raum hinein: «Kick the bucket, Corona!» Das klang schon gestern saugut.

Schlaft viel. Bleibt optimistisch. Lacht regelmässig. Fletscht mit den Zähnen. Konsultiert die Website des BAG. Gurgelt mehrmals täglich, wie diese ETH-Professorin rät.

Der Preis für diese Zentralisierung ist zu hoch


Die Würfel sind gefallen
: Die meisten Berner Redaktionen von Radio SRF werden in Zürich zentralisiert. Rund 150 Vollzeitstellen werden verlegt, in der Bundesstadt verbleiben 32. Das kommt einer Verstümmelung des Radiostandorts Bern gleich.

Der Verwaltungsrat der SRG folgte heute dem Antrag der Unternehmensleitung. Ob die Züglete überhaupt einen Spareffekt hat, ist allerdings umstritten. Offiziell wird er mit 5 Millionen Franken beziffert, laut SRG-internen Quellen teilweise nur von 2,6 Mio. Franken. Im Kontext mit dem gesamten Sparpaket reden wir also von 5 bzw. 2,6 Prozent. Das ist lächerlich. Kann das Hochhaus der SRG-Generaldirektion am Stadtrand Berns, das jährlich 4,3 Mio. Franken Miete kostet, nicht abgestossen werden, verpufft der Spareffekt komplett.

Betriebswirtschaftliche Aspekte sind das eine, zentral wären indessen andere gewesen: Föderalismus und Qualitätssicherung. Offensichtlich wollte der Verwaltungsrat aber den neuen Generaldirektor Gilles Marchand nicht desavouieren. Dass die Digitalisierung dezentral nicht vorangetrieben werden könne, ist allerdings ein lausiger Treppenwitz!

Mit seinem Ja zum Zentralisierungsprojekt verliert die SRG einen Teil ihrer Wurzeln, ein Riss geht durch die Trägerschaften. Das Medienhaus der Schweiz büsst viel Kredit ein bei den Leuten, die am 4. März wegen den überzeugenden Radio-Inhalten Nein zu «No Billag» gestimmt hatten.

SRF-Direktor Ruedi Matter und seine Entourage wollten diese Zentralisierung, egal zu welchem Preis. Schon Anfang April war für sie klar, dass es keine andere Option geben kann. Sie haben alles getan, um ihr Projekt durchzubringen. Dass man die Belegschaft am Standort Bern hätte Schritt für Schritt mitnehmen müssen, daran dachte man nicht. Oder es fehlte Matter an Mut und Sozialkompetenz. Der Preis dieser Fehlentscheidung ist hoch, zu hoch: Der Vertrauensverlust ist immens, viele gute Radioleute werden abspringen, eingespielte Sendeteams fallen womöglich auseinander, SRG-Supporter gehen auf Distanz.

Werden die Informations- und Hintergrundsendungen durch die Hektik des Newsrooms in Zürich verflacht, setzt eine gefährliche Erosion ein. Im Zeitalter von Push-Nachrichten, Fake-News und Clickbaiting könnte die SRG ihre Raison d’être verlieren. Die privaten Medienhäuser liefern je länger, je mehr industriell produzierten Journalismus. Die gebührenfinanzierte SRG überlebt langfristig nur, wenn sie sich klar differenziert und in der Sparte Information überzeugt.

Während des langen Kampfs gegen «No Billag» wiederholten wir einen Satz immer wieder: «Was einmal kaputt ist, ist kaputt.» Er hat auch nach dem heutigen Fehlentscheid wieder Gültigkeit. Aber eben: Er ist irreversibel. Wenn in ein paar Jahren die Halbierungsinitiative anrollt, können wir ihn erst recht verfluchen.

P.S.
Weil ich seit Monaten regelmässig mit den selben drei Punkten konfrontiert werde, will ich hier in aller Deutlichkeit etwas festhalten: Lokalpatriotismus ist nicht mein Ding. Und auch die langen Pendlerwege für viele Mitarbeitende der Berner Radiocrew zum Leutschenbach waren für mich kein Argument gegen die Zentralisierung. Dass der Anti-Züri-Effekt bei anderen Leute spielte, ist offensichtlich, nicht aber bei mir. Es geht um das «Big Picture».